Kolleg-Nachrichten
Drei neue Goethe-Fellows am Kolleg: Frederike Middelhoff, Darrel Moellendorf, Guido Pfeifer
Gemeinsam mit dem Präsidium der Goethe-Universität hat das Forschungskolleg Humanwissenschaften zum Sommersemester 2022 drei Universitätsprofessor:innen als Goethe-Fellows ans Kolleg berufen: die Literaturwissenschaftlerin Frederike Middelhoff, den Philosophen und Politischen Theoretiker Darrel Moellendorf und den Rechtshistoriker Guido Pfeifer.
Frederike Middelhoff (privat); Darrel Moellendorf (Ellen Nieß); Guido Pfeifer (Uwe Dettmar)
Das Goethe-Fellowship-Programm unterstützt die Wissenschaftler:innen bei der Ausarbeitung neuer Forschungsvorhaben und der Beantragung von drittmittelfinanzierten Forschungsprojekten, indem es ihnen u.a. die Mittel und die Infrastruktur für die Durchführung von vorbereitenden Workshops und Konferenzen mit Partnern aus dem In- und Ausland zur Verfügung stellt und sie in den internationalen Diskussions- und Arbeitskontext am Forschungskolleg Humanwissenschaften einbindet.
Die neuen Goethe-Fellows und ihre Projekte
Frederike Middelhoff: »Romantik und Migration. Eine Wissensgeschichte«
Frederike Middelhoff ist seit 2020 Professorin für Neuere deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Romantikforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. In ihrem aktuellen Forschungsprojekt geht es um Migration um 1800 – eine Zeit, in der das Nachdenken über Migration und Flucht nicht zuletzt angesichts der Napoleonischen Kriege und der Auswanderungswelle gen Übersee in Europa große Bedeutung erlangte. Middelhoff untersucht zum einen die ästhetische Darstellung von Auswanderung, Flucht und Exil in der Literatur und Kunst der Romantik. Zum anderen fragt sie danach, wie Migration soziopolitisch, wirtschaftlich und naturwissenschaftlich verhandelt wurde und wie der Begriff von Migration in anderen Wissensgebieten Einzug fand – etwa in der Zoologie, die sich mit dem Migrieren von Tieren befasste, oder in der Medizin, die Wanderungen von Stoffpartikeln und Krankheitserregern thematisierte. Mit ihrem interdisziplinär angelegten Forschungsprojekt möchte Middelhoff einen Beitrag zu einer Kultur- und Wissensgeschichte der Migration an der Schwelle zur Moderne leisten.
Darrel Moellendorf: »Hoffnung auf menschliche Perspektiven im Zeitalter des Anthropozäns«
Darrel Moellendorf ist seit 2013 Professor für Internationale Politische Theorie und Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sein Forschungsprojekt befasst sich mit den Perspektiven der Menschheit im Zeitalter des Anthropozäns, in einer Zeit, die vom durchdringenden und allgegenwärtigen menschlichen Einfluss auf die Planetensysteme geprägt ist. Die Menschheit hat sich in den letzten 11.000 Jahren, im sog. Holozän, sehr gut entwickelt; dieses Zeitalter zeichnete sich durch eine relative klimatische und planetare Stabilität aus. Das Anthropozän hingegen bedroht diese Stabilität und somit die natürlichen Bedingungen für menschliches Gedeihen. Diese Bedrohung ist Quelle großer Ängste. Um ihr zu begegnen, bedarf es einer bisher nicht gekannten internationalen Kooperation, die nach Wegen sucht, um die Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit unserer geschätzten Institutionen der liberalen Demokratie und die kulturellen und wissenschaftlichen Errungenschaften zu erhalten. Kants Frage, die er bereits im 18. Jahrhundert stellte, bleibt auch im Anthropozän aktuell: Worauf dürfen wir hoffen? Moellendorfs Projekt entwickelt mit Blick auf die Bedrohungen des Anthropozäns philosophische Konzepte der Hoffnung, Solidarität, Nachhaltigkeit und Resilienz, die sowohl für die Politik als auch für die Ausgestaltung von Institutionen bedeutsam sein können.
Guido Pfeifer: »Identifikation und Integration zwischen Recht und Religion: Rechtsalltag jüdischer Exil- und Diasporagemeinden in Mesopotamien und Ägypten im 1. Jahrtausend v. Chr.«
Guido Pfeifer ist seit 2007 Professor für Antike Rechtsgeschichte, Europäische Privatrechtsgeschichte und Zivilrecht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sein (rechts-)historisch-philologisches Forschungsprojekt ist von der Frage geleitet, inwieweit Rechtsordnungen sozialen Gruppen unterschiedlicher ethnischer, religiöser oder anderweitiger Prägung in einem fremden Umfeld einen gemeinsamen normativen Rahmen geben können. Dafür befasst sich Pfeifer u.a. mit Urkundentexten, die in jüdischen Exil- und Diasporagemeinden in Mesopotamien und Ägypten im 1. Jahrtausend v. Chr. entstanden, den sog. »Al Yahudu Tablets« und den »Elephantine Papyri«. Bei den Al Yahudu Tablets handelt es sich um keilschriftliche Tontafeln in akkadischer Sprache, in denen Heirats- und Erburkunden sowie Rechts- und Besitzstreitigkeiten dokumentiert sind; in den in aramäischer Schrift verfassten Papyri geht es um zeitgenössische Religionsausübung. Beide Textgruppen sind aus rechtshistorischer Perspektive noch nicht erschöpfend untersucht. Vor allem aber gewähren sie einen unmittelbaren Einblick in den Alltag jüdischen Rechts im Altertum.
Das Goethe-Fellowship-Programm und die Goethe-Fellows am Kolleg
Das Goethe-Fellowship-Programm wurde 2017 vom Direktorium des Forschungskollegs gemeinsam mit dem Präsidium der Goethe-Universität initiiert. Ziel ist die Förderung von herausragender Forschung in den Humanwissenschaften. Über die Einzelprojekte hinaus trägt das Programm damit zur Profilbildung und Internationalisierung der Forschung der Goethe-Universität bei. Hierfür werden Professor:innen der Universität, die an der Entwicklung einer neuen Forschungsfrage arbeiten, für die Dauer von bis zu vier Jahren als Goethe-Fellows ans Kolleg berufen.
Goethe-Fellows im Sommersemester 2022
Sabine Andresen (Sozialpädagogik), Beatrice Brunhöber (Rechtswissenschaft), Christoph Burchard (Rechtswissenschaft), Cornelia Ebert (Linguistik), Gunther Hellmann (Politikwissenschaft), Guido Friebel (Wirtschaftswissenschaften), Frederike Middelhoff (Literaturwissenschaft), Darrel Moellendorf (Philosophie/Politische Theorie), Guido Pfeifer (Rechtswissenschaft), Ömer Özsoy (Islamwissenschaften), Sandra Seubert (Politikwissenschaft) und Zhiyi Yang (Sinologie).
Ehemalige Goethe-Fellows
Iwo Amelung (Sinologie), Roland Borgards (Literaturwissenschaften), Daniela Grunow (Soziologie), Astrid Wallrabenstein (Rechtswissenschaft) und Christian Wiese (Jüdische Religionsphilosophie).
Weitere Informationen über das Goethe-Fellow-Programm und die Fellows finden Sie hier.
(FKH - 01.04.2022)
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