Das Forschungskolleg Humanwissenschaften: Veranstaltungen
Montag, 27.01.2025, 18:15 Uhr
Goethe-Universität, Campus Westend, Casino CAS 1.811, Nina-Rubinstein-Weg 1, 60323 Frankfurt am Main
Forschungsschwerpunkt »Democratic Vistas«Democratic Vistas Lecture Series: Was heißt »Demokratische Lebensform«?
Heike Schäfer (Goethe-Universität)
»Poetic Interventions: Erasure Poetry, Documentary Practices, and the Discourse on Social Justice«
Über den Vortrag
Der Vortrag geht der Frage nach, wie in der amerikanischen Gegenwartslyrik dokumentarische Praktiken eingesetzt werden, um sich in die öffentliche Diskussion über soziale Gerechtigkeit einzuschalten. Anknüpfend an Traditionslinien der experimentellen Dichtung seit den 1970er Jahren wenden sich amerikanische Dichter*innen derzeit verstärkt dokumentarischen Verfahren zu, die sie verwenden und/oder verfremden, um Erfahrungen sozialer Benachteiligung und Ausgrenzung zu thematisieren und Kritik an Sexismus, Rassismus, Homo- und Transphobie und anderen Formen der Diskriminierung zu üben. Beispiele hierfür sind das Verfassen von erasure poems mittels der teilweisen Auslöschung und Überarbeitung von Dokumenten der Legislative und Exekutive – von der Declaration of Independence (Tracy Smith) und dem 9/11 Report (Travis Macdonald) bis zu offiziellen Leitfäden der Grenzpolizei (Francesco Levato) – oder die Appropriation und lyrische Umformung juristischer Dokumente in Werken wie M. NourbeSe Philips Zong! (2008) und Candice Williams‘ I Am the Most Dangerous Thing (2023). Durch Fragmentierung, Neuanordnung, Auslöschung oder typographische Manipulation werden die offiziellen Dokumente zu Gedichten umgearbeitet, die die Ausgrenzungslogiken der Ausgangstexte offenlegen und zugleich die Perspektiven und Erfahrungen der Marginalisierten und Entrechteten sichtbar machen. Andere Werke, wie Claudia Rankines Citizen: An American Lyric (2014) und Just Us: An American Conversation (2020), lösen die Grenzen zwischen Lyrik und Reportage auf, um die persönliche Erfahrung sozialer Ausgrenzung zu dokumentieren und eine öffentliche Auseinandersetzung über die Aushandlung von Identität und gesellschaftlicher Teilhabe auf der Ebene von kognitiv-affektiver und körperlicher Erfahrung, Alltagssprache und medialer Diskurse anzuschieben. Der Vortrag erörtert die gegenwärtige Hinwendung von Dichter*innen zu dokumentarischen und appropriativen Verfahren als Versuch, literarische Praktiken in den Dienst demokratischer Verständigung zu stellen. Er zeigt, dass die selbstreflexiven formalen Strategien dieser dokumentarisch orientierten oder fundierten Gedichte darauf ausgerichtet sind, Differenzsetzungen zwischen Subjektivem und Objektivem, Faktischem und Imaginärem, Persönlichem und Politischen, Sozialem und Ästhetischem zu unterlaufen, um Ausgeblendetes, Ausgegrenztes, Verschwiegenes, und Nichtgewusstes zu thematisieren, die Verschränkung von Sprachgebrauch und Dynamiken gesellschaftlicher Teilhabe und Diskriminierung aufzuzeigen, und die Bedingungen und Möglichkeiten sozialer Gerechtigkeit aus feministischer, antirassistischer und/oder queerer Perspektive zu erkunden.
Die Rednerin
Heike Schäfer ist Professorin für Amerikanistik an der Goethe-Universität Frankfurt. Zuletzt erschien von ihr die Studie American Literature and Immediacy: Literary Innovation and the Emergence of Photography, Film, and Television (Cambridge University Press, 2020).
Mehr Informationen zur Vortragsreihe finden Sie hier.
Teilnahme und Anmeldung
Bitte beachten Sie, dass die Veranstaltung am Campus Westend an der Goethe-Universität in Frankfurt stattfindet. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
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